DIE ENDGÜLTIGE TITEL-AUSSTELLUNG
40 Jahre TITANIC! Dieses Jubiläum nahm das Caricatura Museum zum Anlass, mit einer großen Auswahl „endgültiger“ Titel einen Blick in die Werkstatt der Redaktion zu werfen. Die schonungslosen Frontseiten der TITANIC bilden einen satirischen Gegenentwurf zu vier Jahrzehnten deutscher Geschichte.
Entgegen aller Erwartungen – selbst der der Gründer! – hat sich die TITANIC 40 Jahre lang als größte und bedeutendste Satirezeitschrift Deutschlands behauptet. Die TITANIC ist seit jeher ein von VerlegerInnen, WerbekundInnen oder PolitikerInnen inhaltlich unabhängiges Magazin und mit ihren satirischen Texten, humoristischen, künstlerischen Zeichnungen und Comics unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Presselandschaft. Mit den Waffen der Satire ist die Redaktion stets bereit, mal lustig oder erschreckend, einfach albern oder absurd, im wahrsten Sinne des Wortes „endgültige Satire“ zu betreiben und mit einem klaren „Ja zum Nein“ gegen alles und jeden grenzenlos anzulachen. Dafür stehen auch die zahlreichen Manöver der RedakteurInnen und MitarbeiterInnen, die für großes, teils internationales Aufsehen sorgten. Angefangen vom Buntstiftlecker Bernd Fritz 1988 in Wetten dass..? über den Bestechungsskandal um die Fußball-WM-Vergabe an Deutschland 2006 bis hin zur Falschmeldung der BILD-Zeitung aufgrund gefälschter Mails (#miomiogate) im vergangenen Jahr. Der verlängerte politische Arm der Redaktion, Die PARTEI, gegründet 2004 vom damaligen Chefredakteur Martin Sonneborn, mischt zudem unverfroren den Politikbetrieb auf und sorgt mit satirischen Coups für immer neue Schlagzeilen.
Als gesellschaftskritisches Magazin versteht sich die TITANIC nicht vorrangig als Medium des Journalismus, sondern als Periodikum, das satirische Kunstwerke verbreitet. Geschaffen von KünstlerInnen, die sich auf die Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Die 55 Gerichtsverfahren, 38 verbotenen Ausgaben, zahlreichen einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen sowie die kurzweilige Sperrung des Twitter-Accounts 2018 wurden und werden in Kauf genommen. Denn die Komikschaffenden der Redaktion bestimmen, wo Satire aufhört und der Spaß erst richtig losgeht.
Ein wesentlicher Bestandteil des Magazins sind neben festen Kolumnen und Rubriken (u. a. Briefe an die LeserInnen, Humorkritik, Vom Fachmann für Kenner) Karikaturen, humoristische Zeichnungen und Comics. Zunächst gezeichnet von den Mitgliedern der Neuen Frankfurter Schule, Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Hans Traxler, Chlodwig Poth und F.W. Bernstein, ebenso wie von Manfred Deix, Gary Larson, John Callahan, Ernst Kahl und Rattelschneck, nach 2000 auch von Katz und Goldt, Greser&Lenz, Kamagurka, Rudi Hurzlmeier, Stephan Rürup, Rattelschneck, Eugen Egner und bis August 2004 Bernd Pfarr.
Insbesondere die bislang erschienenen 480 Titelbilder, die selten auf eine ihnen zugehörige Titelgeschichte verweisen, zeigen, dass sich selbst kaufmännische Interessen dem Anspruch der schonungslosen, endgültigen Satire unterzuordnen haben. Viele Frontseiten sind einem breiten Publikum, das weit über die Stammleserschaft hinausgeht, bekannt und in Erinnerung geblieben.
Zum 40. Jubiläum des endgültigen Satiremagazins und zum 30. Jahrestag von Zonen-Gabys Mauerfall-Glück verfolgte die Ausstellung des Caricatura Museums den satirischen TITANIC-Gegenentwurf zur deutschen Wiedervereinigungsgeschichte und begleitete damit auch den verzweifelten Versuch der Redaktion, die Mauer wieder aufzubauen.
In den Räumen des Caricatura Museums wurden rund 220 Titel präsentiert – darunter Originale von F. K. Waechter, Hans Traxler, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, F. W. Bernstein, Hilke Raddatz, Rudi Hurzlmeier, Franziska Becker, Wolfgang Herrndorf, Ernst Kahl, Michael Sowa, Greser & Lenz, Stephan Rürup und Leo Riegel, mit Originalrequisiten, Vorbildern und Titelmotiven zum Nachstellen.
Im Zentrum standen dabei die Wiedervereinigung Deutschlands und ihre Folgen. Gemäß Chlodwig Poths Impressumsmotto „Die endgültige Teilung Deutschlands — das ist unser Auftrag” zeichnete die Ausstellung den Werdegang der Zonen-Gaby, die Renationalisierung des geeinten Landes und die verzweifelten Versuche der Redaktion, die Mauer wieder aufzubauen, nach. Anhand der TITANIC-Titel entstand eine rabiate wie launige Gegengeschichte von vier deutschen Jahrzehnten, die manchmal präziser und prophetischer erscheinte, als es selbst Spaßmachern lieb sein kann — wollten sie doch oft letztlich nicht mehr, als gegen die Welt- und Zeitläufte anzulachen, wie manches alberne oder absurde Cover verdeutlichte.
Die Ausstellung ging auch der Frage nach, was genau eigentlich so ein TITANIC-Titelbild ist. Es ist kein typisches Magazin-Cover, denn es verweist nur selten auf zugehörige Artikel im Heftinneren. Es ist weder reine Kunst noch echtes Werbeplakat. Zwar will es mit dem besten Witz oder der relevantesten Zuspitzung des Monats zum Kauf des Magazins anregen, hat aber im Zweifel noch gegen jede kaufmännische oder Marketing-Regel verstoßen, solange ein gehöriges Lachen und Krachen erzeugt werden kann. Im Grunde ist der Titel ein Schaufenster, mal zu einer Galerie, mal zu einem Ramschladen. Jedes TITANIC-Titelbild ist somit eine Einladung in eine uneigentliche Welt komischer Renitenz.