Neuer Leiter Martin Sonntag stellt seine Pläne zur Zukunft des Museums als Gedächtnis, Motor und Ort der Komischen Kunst vor. Frankfurt, 8.4.2024. Gleich zu Beginn der Amtszeit als neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt hieß es für Martin Sonntag kräftig anpacken: Die bis zum 12. Mai 2024 verlängerte Loriot-Ausstellung stellt nach wie vor mit aktuell mehr als 100.000 Besucher:innen das Team vor große Herausforderungen. Pläne für die Zeit nach der Ausstellung werden geschmiedet; die vielen Gedanken und Ideen, die Martin Sonntag im Gepäck hat, besprochen, geprüft und sortiert. Und dann der plötzliche Tod des Gründers und Vorgängers Achim Frenz, der das gesamte Team tief getroffen hat. Nun sind 99 Tage im Amt vergangenen, Martin Sonntag zieht erste Bilanz.„Die ersten 99 Tage waren bereits sehr ereignisreich. Der plötzliche und unerwartete Tod meines Freundes und Vorgängers Achim Frenz hat uns alle sehr bewegt. Seine Expertise und sein menschlicher Rat als Gründer und ehemaliger Caricatura-Leiter werden fehlen.“, zeigt sich Martin Sonntag nachdenklich. „Im Sinne von Achim werden wir aber den Weg zur Weltherrschaft der Komik weiter beschreiten. Und das mit Elan und Tatendrang. Ich habe ein starkes Team hinter mir. Aktuell stellen wir alles auf den Prüfstand. Vieles ist angestoßen, vieles wird folgen.“An den Grundfesten des Museumsauftrags will und wird Martin Sonntag nicht rütteln. Das Museum ist und bleibt das Museum der Neuen Frankfurter Schule und ein Haus der Bildsatire. In Zukunft wird aber noch stärker als bisher auf die Nachwirkungen der Neuen Frankfurter Schule geschaut: Wer sind die Kinder, Enkel und Urenkel dieser Komikschule und wie entwickelt sich die Komische Kunst grundsätzlich? Das sind Fragestellungen, die das Programm inhaltlich leiten sollen.Die Sammlungsausstellungsfläche wird neugestaltet und inhaltlich neu aufgestellt. Auch in Zukunft werden immer Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule zu sehen sein, aber die Sammlung hat sich mittlerweile stark erweitert und wird auch weiterhin wachsen. So sieht das neue Konzept der Sammlungsausstellung vor, alle Künstlerinnen und Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, regelmäßig in wechselnden Zusammenstellungen zu präsentieren. Bis die räumliche Umgestaltung abgeschlossen sein wird, gibt es einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur neuen Sammlungspräsentation. Zu seinem 95. Geburtstag würdigt das Museum im Mai 2024 Hans Traxler mit einem Schwerpunkt in der Sammlungsetage. Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Arbeiten Traxlers aus den letzten drei Jahren, „allesamt Arbeiten höchster künstlerischer Qualität, die die große Meisterschaft Hans Traxlers beweisen“, wie Martin Sonntag feststellt. Ein weiteres Kabinett ist F. W. Bernsteins Selbstportraits vorbehalten, von denen aktuell eine neue Buchzusammenstellung erschienen ist.Geplant ist, bis Herbst 2024 die Umgestaltung der 1. Etage abzuschließen, um dann neben der Sammlungspräsentation auch einen zusätzlichen Kabinettraum nutzen zu können. „Mit diesem Bereich soll die Dynamik des Hauses erhöht werden“, sagt Sonntag. Kurzfristige und schnelle Präsentation aktueller Themen, Ausstellungen von Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern sowie Ausflüge in Nachbardisziplinen von Karikatur und Cartoon sind geplant.Im Erdgeschoss und in der Galerie dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auch weiterhin auf Wechselausstellungen freuen. Ab dem 30. Mai 2024 ist die Fläche dem Wuppertaler Zeichner und Cartoonisten André Poloczek alias POLO gewidmet. Ab September dem Sondermann-Schöpfer Bernd Pfarr. Für 2025 stehen Ausstellungen mit Werken von unter anderem Walter Moers und Michael Sowa auf dem Programm.Insbesondere mit der Frage, wie man das Museum auch für jüngere Generationen attraktiv macht, will und wird sich Martin Sonntag mit seinem Team beschäftigen. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen: Warum sollte man ins Caricatura Museum gehen? Was macht es auch für die jüngere Generation attraktiv? Und was können wir aktiv tun, um die Hemmschwelle für einen Museumsbesuch zu senken?“ Dabei rückt vor allem der Nachwuchs in den Fokus der Kuratorinnen und Kuratoren. Die bisherigen Wechselausstellungen präsentierten bereits Künstlerinnen und Künstler, die in der Tradition der Neuen Frankfurter Schule beheimatet sind. Die nächsten Generationen junger Zeichnerinnen und Zeichner stehen in den Startlöchern oder am Anfang ihrer Karriere. Das Museum kann und will ihnen eine Plattform bieten. Und zeigen: Die Karikatur lebt, und die Komische Kunst hat etwas zu sagen.Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt. Es ist aber auch ein Ort der leiseren Zwischentöne, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, ein Ort des Diskurses. Das möchte Martin Sonntag in Zukunft verstärken. Bewusst will man einen Kontrapunkt zur aktuellen Erregungsgesellschaft setzen. „Satire spitzt zu, und der Betrachter muss sich zu ihr verhalten.“, erläutert Martin Sonntag. „Man muss mit ihren Inhalten nicht einverstanden sein. Das ist nicht ihre Absicht. Vielmehr deckt sie auf, provoziert und evoziert zum spannenden Meinungsaustausch und trägt – im besten Fall – zum Erkenntnisgewinn bei. Gerade unser Museum ist prädestiniert, generationenübergreifend ins Gespräch zu kommen, eine – im positiven Sinne – Streitkultur wiederzubeleben.“Spaß und Erkenntnisgewinn dürfen aber einen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekt nicht ausblenden: den der Ästhetik. Vom schnellen Strich bis hin zu opulenten Gemälden – Komische Kunst ist in Stilistik und Aussage vielfältig und auch ein ästhetischer Genuss. Was oftmals so spielerisch einfach daherkommt, ist hart erarbeitet.Auch das soll im Museum vermittelt werden. Hier strebt Sonntag ein engeres Zusammenwirken von universitärer Forschung und satirischer Praxis an.Um das Museum für ein noch breiteres Publikum attraktiv zu machen, wird Martin Sonntag das museumspädagogische Angebot ausbauen. Geplant ist dazu die Ausarbeitung eines erweiterten Führungsangebots für unterschiedliche Zielgruppen und mit thematischen Schwerpunkten. Öffentliche Führungen sollen an besucherstarken Tagen über die Ausstellungen informieren. Langfristig ist auch der Aufbau eines didaktischen Programms geplant, um das Caricatura Museum für Schulen noch attraktiver zu gestalten. Locken sollen auch kreative Angebote wie After-Work-Veranstaltungen für Werktätige.„Nicht alles lässt sich sofort und vor allem zeitgleich realisieren“, betont Martin Sonntag. „Das wollen wir auch gar nicht: Uns ist es wichtig, langfristige und gut durchdachte Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Das ist unser Auftrag. Das sind wir unseren Künstlerinnen und Künstlern wie auch unserem Publikum schuldig.“Foto: © CMF
100.000ste Besucherin „Ach was! Loriot zum Hundertsten“ feierlich in Jubiläumsausstellung begrüßtLange Schlangen vor, begeisterte Menschen im Museum: Das ist seit Ende September vergangenen Jahres das prägende Bild der Loriot-Jubiläumsausstellung im Caricatura Museum Frankfurt. Die Besucherresonanz bricht alle Rekorde des Hauses: Nun begrüßte Martin Sonntag, Leiter des Museums, die 100.000ste Besucherin.Eigens für die Ausstellung aus Dortmund angereist, freute sich Petra Beune mit ihren Kindern Ella und Merle Beune sowie Christian Scheike über freien Eintritt, Blumen, Wein, Spiel, Badeente und passende Lektüre zur Ausstellung. Der Ausstellungsbesuch sei ein Geburtstagsgeschenk, berichtete die glückliche Jubiläumsbesucherin, während die Kinder Ella und Merle Loriot-Sprüche auswendig zitierten. Beim Blick auf das Modell des Atomkraftwerks aus dem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ sagte Merle spontan: „Und dann ist da ein Loch in der Zimmerdecke.“ Loriot funktioniert generationenübergreifend.„Dass Loriot ein Publikumsmagnet sein würde, da waren wir uns sicher. 100.000 Besucher in so kurzer Zeit – das ist dann doch eine echte Überraschung und ein toller Erfolg!“, zeigt sich Martin Sonntag begeistert.Foto: Petra Beune, in Begleitung ihrer Töchter Merle und Ella sowie Christian Scheike, freudig überrascht über die Begrüßung durch Museumsleiter Martin Sonntag © Laura Lang
Im Namen der Familie geben das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel bekannt, dass Caricatura-Gründer Achim Frenz plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11. März 2024 verstorben ist. Achim Frenz (* 27. November 1957 in Bremerhaven, † 11. März 2024 in Kassel) hat als Gründer und ehemaliger Leiter des Caricatura Museums Frankfurt – Museum für Komische Kunst und der Caricatura Galerie Kassel nicht nur zwei wichtige Institutionen der Komischen Kunst auf den Weg gebracht und geprägt, sondern sich auch unermüdlich bundesweit für die Belange dieser Kunstgattung eingesetzt. Das gesamte Caricatura-Team und Weggefährten sind zutiefst betroffen. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde Frenz aus dem aktiven Dienst als Leiter des Museums verabschiedet. Er hinterlässt seine Frau, seinen Sohn mit Ehefrau und zwei Enkel.„Vor Kurzem noch durfte ich eine Rede zu seinem Abschied als Leiter des Caricatura Museums halten. Ich war voll des Lobes und der Zuneigung und bin nun umso erschütterter und sehr, sehr traurig.” Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule „Der Tod von Achim Frenz hat uns alle unvorbereitet getroffen und tief erschüttert. Er war nicht nur Vordenker und Wegbereiter für die Komische Kunst, sondern auch Mentor und Freund. So Vieles hat er erreicht, so Vieles hatte er noch vor. Die Komische Kunst steht für einen Moment still – um in seinem Sinne weiterzumachen.“ Martin Sonntag, Leiter Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst „Der überraschende Tod von Achim Frenz ist das Ende einer Ära, seine Errungenschaften für die Komische Kunst sind beispiellos. Das gesamte Team der Caricatura Galerie Kassel, dem er als Vorstand und auch menschlich immer mit Rat und Tat zur Seite stand, ist zutiefst betroffen und traurig über diesen Verlust. Wir werden dich vermissen, Achim!“ Saskia Wagner, Leiterin Caricatura Galerie Kassel Achim Frenz leitete das Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst im Leinwandhaus am Weckmarkt seit der Gründung im Jahr 2008. Die Idee des Museums ist auf ihn zurückzuführen: Bereits zur Jahrtausendwende wurde er vom damaligen Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff mit der Entwicklung eines Museumskonzeptes betraut. Frenz hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, eine Sammlung der Neuen Frankfurter Schule aufzubauen und diese der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Unter dem Motto „Zeigen, was möglich ist“ warb er acht Jahre lang um ein eigenständiges und unabhängiges Museum. Zunächst wurde es als Außenstelle des Historischen Museums betrieben, 2019 direkt dem Kulturamt unterstellt. „Bestürzt habe ich die Nachricht vom Tod Achim Frenz‘ vernommen. Erst Ende letzten Jahres haben wir ihn mit einem Festakt in der Evangelischen Akademie in den Ruhestand verabschiedet. Er war voller Pläne und Ideen. Sein Wirken für die Stadt Frankfurt und für die Neue Frankfurter Schule war stets von großer Hingabe geprägt. Diese Hingabe spiegelt sich in seinen großen Verdiensten wider. Ohne Achim Frenz gäbe es das Caricatura Museum in Frankfurt nicht, dass dazu beigetragen hat, dass die Komische Kunst als ernstzunehmende Kunst zum Gattungsbegriff wurde. Mit ihm verlieren wir einen großen Visionär und unermüdlichen Kämpfer für die Komische Kunst. Wir werden ihn sehr vermissen.“ Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main „Die Nachricht von Achim Frenz‘ Tod erschüttert mich. In den Jahren unserer fruchtbaren Zusammenarbeit haben wir einander schätzen gelernt. In ihm verliert Frankfurt einen Vorreiter der Komischen Kunst, der stets die Weiterentwicklung des „schönsten Museums der Welt“ im Blick hatte.“ Sybille Linke, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main In seiner Zeit als Leitung des Museums verantwortete Frenz den Aufbau und die Erweiterung der Sammlung des Hauses, die zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand mehr als 8.000 Originale der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule sowie rund 6.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten umfasste. Unter seiner Leitung wurden die regelmäßigen Neuhängungen der Dauerausstellung zur Neuen Frankfurter Schule und 42 Sonderausstellungen kuratiert. Krönender Abschluss seiner Karriere war die aktuelle Ausstellung „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Humoristen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen gab Frenz die Buchreihe Caricatura Museum Edition heraus, die die vielfältigen Ausstellungen im Museum dokumentieren. Zudem etablierte er mit seinem Team das Festival der Komik, das alljährlich als Ergänzung zu den Ausstellungen auf dem Weckmarkt satirische Bühnenkunst während des Museumsuferfestes präsentiert. 2020 wurden das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel mit dem Hessischen Kulturpreis gewürdigt. Erstmals erhielten ein Museum und eine Galerie diese Auszeichnung. Schon früh kam Achim Frenz mit der Komischen Kunst in Kontakt. Sein Studium an der Kunst- und Gesamthochschule Kassel schloss der gebürtige Bremer mit der Diplomarbeit „Die Grenzen der Satire“ ab. Mit Kommilitonen entwarf und verbreitete er im Künstlerkollektiv „Visuelle Opposition“ politische Plakate mit komisch-satirischem Ansatz und legte den Fokus auf die Entwicklung einer eigenen Komik. Prägend waren die von den Studierenden initiierten Lehrstunden bei F.K. Waechter und F.W. Bernstein, die als Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule die Nachkriegssatire und Humorlandschaft maßgeblich beeinflusst hatten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Redakteur und Karikaturist bei der nordhessischen Ausgabe des „Pflasterstrand” und setzte sich auch hier intensiv mit dem Medium Satire auseinander. Mitte der 1980er Jahre war er federführend als Initiator wie Kurator an Ausstellungen in Kassel beteiligt, die die zeitgenössische Komische Kunst in Deutschland dokumentierten. Erstmals wurde die Komische Kunst als eigenständige und ernstzunehmende Gattung wahrgenommen. Mit der Gründung des Kulturbahnhofs Kassel schuf Frenz dann mit Mitstreitern auch einen ständigen Ausstellungsort der Komischen Kunst: Die Caricatura – Galerie für Komische Kunst Kassel, die er bis 2000 leitete und in deren Vorstand er bis zu seinem Tod vertreten war. Seit 2006 war Frenz zudem Mitherausgeber der Satirezeitschrift Titanic. In den Sommerakademien für Komische Kunst, die die Caricatura Galerie Kassel in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt veranstaltet, setzte er sich seit 2007 für die Ausbildung junger Zeichner ein. Seine Expertise war auch als Jurymitglied gefragt, unter anderem beim Göttinger Elch, beim Deutschen Karikaturenpreis, beim Wilhelm-Busch-Preis und beim Ludwig-Emil-Grimm-Preis.Foto: © Britta Frenz
Neuer Leiter Martin Sonntag stellt seine Pläne zur Zukunft des Museums als Gedächtnis, Motor und Ort der Komischen Kunst vor.
Frankfurt, 8.4.2024. Gleich zu Beginn der Amtszeit als neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt hieß es für Martin Sonntag kräftig anpacken: Die bis zum 12. Mai 2024 verlängerte Loriot-Ausstellung stellt nach wie vor mit aktuell mehr als 100.000 Besucher:innen das Team vor große Herausforderungen. Pläne für die Zeit nach der Ausstellung werden geschmiedet; die vielen Gedanken und Ideen, die Martin Sonntag im Gepäck hat, besprochen, geprüft und sortiert. Und dann der plötzliche Tod des Gründers und Vorgängers Achim Frenz, der das gesamte Team tief getroffen hat.
Nun sind 99 Tage im Amt vergangenen, Martin Sonntag zieht erste Bilanz.
„Die ersten 99 Tage waren bereits sehr ereignisreich. Der plötzliche und unerwartete Tod meines Freundes und Vorgängers Achim Frenz hat uns alle sehr bewegt. Seine Expertise und sein menschlicher Rat als Gründer und ehemaliger Caricatura-Leiter werden fehlen.“, zeigt sich Martin Sonntag nachdenklich. „Im Sinne von Achim werden wir aber den Weg zur Weltherrschaft der Komik weiter beschreiten. Und das mit Elan und Tatendrang. Ich habe ein starkes Team hinter mir. Aktuell stellen wir alles auf den Prüfstand. Vieles ist angestoßen, vieles wird folgen.“
An den Grundfesten des Museumsauftrags will und wird Martin Sonntag nicht rütteln. Das Museum ist und bleibt das Museum der Neuen Frankfurter Schule und ein Haus der Bildsatire. In Zukunft wird aber noch stärker als bisher auf die Nachwirkungen der Neuen Frankfurter Schule geschaut: Wer sind die Kinder, Enkel und Urenkel dieser Komikschule und wie entwickelt sich die Komische Kunst grundsätzlich? Das sind Fragestellungen, die das Programm inhaltlich leiten sollen.
Die Sammlungsausstellungsfläche wird neugestaltet und inhaltlich neu aufgestellt. Auch in Zukunft werden immer Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule zu sehen sein, aber die Sammlung hat sich mittlerweile stark erweitert und wird auch weiterhin wachsen. So sieht das neue Konzept der Sammlungsausstellung vor, alle Künstlerinnen und Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, regelmäßig in wechselnden Zusammenstellungen zu präsentieren.
Bis die räumliche Umgestaltung abgeschlossen sein wird, gibt es einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur neuen Sammlungspräsentation. Zu seinem 95. Geburtstag würdigt das Museum im Mai 2024 Hans Traxler mit einem Schwerpunkt in der Sammlungsetage.
Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Arbeiten Traxlers aus den letzten drei Jahren, „allesamt Arbeiten höchster künstlerischer Qualität, die die große Meisterschaft Hans Traxlers beweisen“, wie Martin Sonntag feststellt. Ein weiteres Kabinett ist F. W. Bernsteins Selbstportraits vorbehalten, von denen aktuell eine neue Buchzusammenstellung erschienen ist.
Geplant ist, bis Herbst 2024 die Umgestaltung der 1. Etage abzuschließen, um dann neben der Sammlungspräsentation auch einen zusätzlichen Kabinettraum nutzen zu können. „Mit diesem Bereich soll die Dynamik des Hauses erhöht werden“, sagt Sonntag. Kurzfristige und schnelle Präsentation aktueller Themen, Ausstellungen von Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern sowie Ausflüge in Nachbardisziplinen von Karikatur und Cartoon sind geplant.
Im Erdgeschoss und in der Galerie dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auch weiterhin auf Wechselausstellungen freuen. Ab dem 30. Mai 2024 ist die Fläche dem Wuppertaler Zeichner und Cartoonisten André Poloczek alias POLO gewidmet. Ab September dem Sondermann-Schöpfer Bernd Pfarr. Für 2025 stehen Ausstellungen mit Werken von unter anderem Walter Moers und Michael Sowa auf dem Programm.
Insbesondere mit der Frage, wie man das Museum auch für jüngere Generationen attraktiv macht, will und wird sich Martin Sonntag mit seinem Team beschäftigen. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen: Warum sollte man ins Caricatura Museum gehen? Was macht es auch für die jüngere Generation attraktiv? Und was können wir aktiv tun, um die Hemmschwelle für einen Museumsbesuch zu senken?“ Dabei rückt vor allem der Nachwuchs in den Fokus der Kuratorinnen und Kuratoren. Die bisherigen Wechselausstellungen präsentierten bereits Künstlerinnen und Künstler, die in der Tradition der Neuen Frankfurter Schule beheimatet sind. Die nächsten Generationen junger Zeichnerinnen und Zeichner stehen in den Startlöchern oder am Anfang ihrer Karriere. Das Museum kann und will ihnen eine Plattform bieten. Und zeigen: Die Karikatur lebt, und die Komische Kunst hat etwas zu sagen.
Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt. Es ist aber auch ein Ort der leiseren Zwischentöne, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, ein Ort des Diskurses. Das möchte Martin Sonntag in Zukunft verstärken. Bewusst will man einen Kontrapunkt zur aktuellen Erregungsgesellschaft setzen. „Satire spitzt zu, und der Betrachter muss sich zu ihr verhalten.“, erläutert Martin Sonntag. „Man muss mit ihren Inhalten nicht einverstanden sein. Das ist nicht ihre Absicht. Vielmehr deckt sie auf, provoziert und evoziert zum spannenden Meinungsaustausch und trägt – im besten Fall – zum Erkenntnisgewinn bei. Gerade unser Museum ist prädestiniert, generationenübergreifend ins Gespräch zu kommen, eine – im positiven Sinne – Streitkultur wiederzubeleben.“
Spaß und Erkenntnisgewinn dürfen aber einen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekt nicht ausblenden: den der Ästhetik. Vom schnellen Strich bis hin zu opulenten Gemälden – Komische Kunst ist in Stilistik und Aussage vielfältig und auch ein ästhetischer Genuss. Was oftmals so spielerisch einfach daherkommt, ist hart erarbeitet.
Auch das soll im Museum vermittelt werden. Hier strebt Sonntag ein engeres Zusammenwirken von universitärer Forschung und satirischer Praxis an.
Um das Museum für ein noch breiteres Publikum attraktiv zu machen, wird Martin Sonntag das museumspädagogische Angebot ausbauen. Geplant ist dazu die Ausarbeitung eines erweiterten Führungsangebots für unterschiedliche Zielgruppen und mit thematischen Schwerpunkten. Öffentliche Führungen sollen an besucherstarken Tagen über die Ausstellungen informieren. Langfristig ist auch der Aufbau eines didaktischen Programms geplant, um das Caricatura Museum für Schulen noch attraktiver zu gestalten. Locken sollen auch kreative Angebote wie After-Work-Veranstaltungen für Werktätige.
„Nicht alles lässt sich sofort und vor allem zeitgleich realisieren“, betont Martin Sonntag. „Das wollen wir auch gar nicht: Uns ist es wichtig, langfristige und gut durchdachte Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Das ist unser Auftrag. Das sind wir unseren Künstlerinnen und Künstlern wie auch unserem Publikum schuldig.“
Foto: © CMF
100.000ste Besucherin „Ach was! Loriot zum Hundertsten“ feierlich in Jubiläumsausstellung begrüßt
Lange Schlangen vor, begeisterte Menschen im Museum: Das ist seit Ende September vergangenen Jahres das prägende Bild der Loriot-Jubiläumsausstellung im Caricatura Museum Frankfurt. Die Besucherresonanz bricht alle Rekorde des Hauses: Nun begrüßte Martin Sonntag, Leiter des Museums, die 100.000ste Besucherin.
Eigens für die Ausstellung aus Dortmund angereist, freute sich Petra Beune mit ihren Kindern Ella und Merle Beune sowie Christian Scheike über freien Eintritt, Blumen, Wein, Spiel, Badeente und passende Lektüre zur Ausstellung. Der Ausstellungsbesuch sei ein Geburtstagsgeschenk, berichtete die glückliche Jubiläumsbesucherin, während die Kinder Ella und Merle Loriot-Sprüche auswendig zitierten. Beim Blick auf das Modell des Atomkraftwerks aus dem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ sagte Merle spontan: „Und dann ist da ein Loch in der Zimmerdecke.“ Loriot funktioniert generationenübergreifend.
„Dass Loriot ein Publikumsmagnet sein würde, da waren wir uns sicher. 100.000 Besucher in so kurzer Zeit – das ist dann doch eine echte Überraschung und ein toller Erfolg!“, zeigt sich Martin Sonntag begeistert.
Foto: Petra Beune, in Begleitung ihrer Töchter Merle und Ella sowie Christian Scheike, freudig überrascht über die Begrüßung durch Museumsleiter Martin Sonntag © Laura Lang
Im Namen der Familie geben das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel bekannt, dass Caricatura-Gründer Achim Frenz plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11. März 2024 verstorben ist.
Achim Frenz (* 27. November 1957 in Bremerhaven, † 11. März 2024 in Kassel) hat als Gründer und ehemaliger Leiter des Caricatura Museums Frankfurt – Museum für Komische Kunst und der Caricatura Galerie Kassel nicht nur zwei wichtige Institutionen der Komischen Kunst auf den Weg gebracht und geprägt, sondern sich auch unermüdlich bundesweit für die Belange dieser Kunstgattung eingesetzt. Das gesamte Caricatura-Team und Weggefährten sind zutiefst betroffen. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde Frenz aus dem aktiven Dienst als Leiter des Museums verabschiedet. Er hinterlässt seine Frau, seinen Sohn mit Ehefrau und zwei Enkel.
„Vor Kurzem noch durfte ich eine Rede zu seinem Abschied als Leiter des Caricatura Museums halten. Ich war voll des Lobes und der Zuneigung und bin nun umso erschütterter und sehr, sehr traurig.”
Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule
„Der Tod von Achim Frenz hat uns alle unvorbereitet getroffen und tief erschüttert. Er war nicht nur Vordenker und Wegbereiter für die Komische Kunst, sondern auch Mentor und Freund. So Vieles hat er erreicht, so Vieles hatte er noch vor. Die Komische Kunst steht für einen Moment still – um in seinem Sinne weiterzumachen.“
Martin Sonntag, Leiter Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst
„Der überraschende Tod von Achim Frenz ist das Ende einer Ära, seine Errungenschaften für die Komische Kunst sind beispiellos. Das gesamte Team der Caricatura Galerie Kassel, dem er als Vorstand und auch menschlich immer mit Rat und Tat zur Seite stand, ist zutiefst betroffen und traurig über diesen Verlust. Wir werden dich vermissen, Achim!“
Saskia Wagner, Leiterin Caricatura Galerie Kassel
Achim Frenz leitete das Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst im Leinwandhaus am Weckmarkt seit der Gründung im Jahr 2008. Die Idee des Museums ist auf ihn zurückzuführen: Bereits zur Jahrtausendwende wurde er vom damaligen Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff mit der Entwicklung eines Museumskonzeptes betraut. Frenz hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, eine Sammlung der Neuen Frankfurter Schule aufzubauen und diese der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Unter dem Motto „Zeigen, was möglich ist“ warb er acht Jahre lang um ein eigenständiges und unabhängiges Museum. Zunächst wurde es als Außenstelle des Historischen Museums betrieben, 2019 direkt dem Kulturamt unterstellt.
„Bestürzt habe ich die Nachricht vom Tod Achim Frenz‘ vernommen. Erst Ende letzten Jahres haben wir ihn mit einem Festakt in der Evangelischen Akademie in den Ruhestand verabschiedet. Er war voller Pläne und Ideen. Sein Wirken für die Stadt Frankfurt und für die Neue Frankfurter Schule war stets von großer Hingabe geprägt. Diese Hingabe spiegelt sich in seinen großen Verdiensten wider. Ohne Achim Frenz gäbe es das Caricatura Museum in Frankfurt nicht, dass dazu beigetragen hat, dass die Komische Kunst als ernstzunehmende Kunst zum Gattungsbegriff wurde. Mit ihm verlieren wir einen großen Visionär und unermüdlichen Kämpfer für die Komische Kunst. Wir werden ihn sehr vermissen.“
Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main
„Die Nachricht von Achim Frenz‘ Tod erschüttert mich. In den Jahren unserer fruchtbaren Zusammenarbeit haben wir einander schätzen gelernt. In ihm verliert Frankfurt einen Vorreiter der Komischen Kunst, der stets die Weiterentwicklung des „schönsten Museums der Welt“ im Blick hatte.“
Sybille Linke, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main
In seiner Zeit als Leitung des Museums verantwortete Frenz den Aufbau und die Erweiterung der Sammlung des Hauses, die zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand mehr als 8.000 Originale der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule sowie rund 6.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten umfasste. Unter seiner Leitung wurden die regelmäßigen Neuhängungen der Dauerausstellung zur Neuen Frankfurter Schule und 42 Sonderausstellungen kuratiert. Krönender Abschluss seiner Karriere war die aktuelle Ausstellung „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Humoristen.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen gab Frenz die Buchreihe Caricatura Museum Edition heraus, die die vielfältigen Ausstellungen im Museum dokumentieren. Zudem etablierte er mit seinem Team das Festival der Komik, das alljährlich als Ergänzung zu den Ausstellungen auf dem Weckmarkt satirische Bühnenkunst während des Museumsuferfestes präsentiert. 2020 wurden das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel mit dem Hessischen Kulturpreis gewürdigt. Erstmals erhielten ein Museum und eine Galerie diese Auszeichnung.
Schon früh kam Achim Frenz mit der Komischen Kunst in Kontakt. Sein Studium an der Kunst- und Gesamthochschule Kassel schloss der gebürtige Bremer mit der Diplomarbeit „Die Grenzen der Satire“ ab. Mit Kommilitonen entwarf und verbreitete er im Künstlerkollektiv „Visuelle Opposition“ politische Plakate mit komisch-satirischem Ansatz und legte den Fokus auf die Entwicklung einer eigenen Komik. Prägend waren die von den Studierenden initiierten Lehrstunden bei F.K. Waechter und F.W. Bernstein, die als Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule die Nachkriegssatire und Humorlandschaft maßgeblich beeinflusst hatten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Redakteur und Karikaturist bei der nordhessischen Ausgabe des „Pflasterstrand” und setzte sich auch hier intensiv mit dem Medium Satire auseinander. Mitte der 1980er Jahre war er federführend als Initiator wie Kurator an Ausstellungen in Kassel beteiligt, die die zeitgenössische Komische Kunst in Deutschland dokumentierten. Erstmals wurde die Komische Kunst als eigenständige und ernstzunehmende Gattung wahrgenommen. Mit der Gründung des Kulturbahnhofs Kassel schuf Frenz dann mit Mitstreitern auch einen ständigen Ausstellungsort der Komischen Kunst: Die Caricatura – Galerie für Komische Kunst Kassel, die er bis 2000 leitete und in deren Vorstand er bis zu seinem Tod vertreten war.
Seit 2006 war Frenz zudem Mitherausgeber der Satirezeitschrift Titanic. In den Sommerakademien für Komische Kunst, die die Caricatura Galerie Kassel in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt veranstaltet, setzte er sich seit 2007 für die Ausbildung junger Zeichner ein. Seine Expertise war auch als Jurymitglied gefragt, unter anderem beim Göttinger Elch, beim Deutschen Karikaturenpreis, beim Wilhelm-Busch-Preis und beim Ludwig-Emil-Grimm-Preis.
Foto: © Britta Frenz