Neuer Leiter Martin Sonntag stellt seine Pläne zur Zukunft des Museums als Gedächtnis, Motor und Ort der Komischen Kunst vor.
Frankfurt, 8.4.2024. Gleich zu Beginn der Amtszeit als neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt hieß es für Martin Sonntag kräftig anpacken: Die bis zum 12. Mai 2024 verlängerte Loriot-Ausstellung stellt nach wie vor mit aktuell mehr als 100.000 Besucher:innen das Team vor große Herausforderungen. Pläne für die Zeit nach der Ausstellung werden geschmiedet; die vielen Gedanken und Ideen, die Martin Sonntag im Gepäck hat, besprochen, geprüft und sortiert. Und dann der plötzliche Tod des Gründers und Vorgängers Achim Frenz, der das gesamte Team tief getroffen hat.
Nun sind 99 Tage im Amt vergangenen, Martin Sonntag zieht erste Bilanz.
„Die ersten 99 Tage waren bereits sehr ereignisreich. Der plötzliche und unerwartete Tod meines Freundes und Vorgängers Achim Frenz hat uns alle sehr bewegt. Seine Expertise und sein menschlicher Rat als Gründer und ehemaliger Caricatura-Leiter werden fehlen.“, zeigt sich Martin Sonntag nachdenklich. „Im Sinne von Achim werden wir aber den Weg zur Weltherrschaft der Komik weiter beschreiten. Und das mit Elan und Tatendrang. Ich habe ein starkes Team hinter mir. Aktuell stellen wir alles auf den Prüfstand. Vieles ist angestoßen, vieles wird folgen.“
An den Grundfesten des Museumsauftrags will und wird Martin Sonntag nicht rütteln. Das Museum ist und bleibt das Museum der Neuen Frankfurter Schule und ein Haus der Bildsatire. In Zukunft wird aber noch stärker als bisher auf die Nachwirkungen der Neuen Frankfurter Schule geschaut: Wer sind die Kinder, Enkel und Urenkel dieser Komikschule und wie entwickelt sich die Komische Kunst grundsätzlich? Das sind Fragestellungen, die das Programm inhaltlich leiten sollen.
Die Sammlungsausstellungsfläche wird neugestaltet und inhaltlich neu aufgestellt. Auch in Zukunft werden immer Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule zu sehen sein, aber die Sammlung hat sich mittlerweile stark erweitert und wird auch weiterhin wachsen. So sieht das neue Konzept der Sammlungsausstellung vor, alle Künstlerinnen und Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, regelmäßig in wechselnden Zusammenstellungen zu präsentieren.
Bis die räumliche Umgestaltung abgeschlossen sein wird, gibt es einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur neuen Sammlungspräsentation. Zu seinem 95. Geburtstag würdigt das Museum im Mai 2024 Hans Traxler mit einem Schwerpunkt in der Sammlungsetage.
Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Arbeiten Traxlers aus den letzten drei Jahren, „allesamt Arbeiten höchster künstlerischer Qualität, die die große Meisterschaft Hans Traxlers beweisen“, wie Martin Sonntag feststellt. Ein weiteres Kabinett ist F. W. Bernsteins Selbstportraits vorbehalten, von denen aktuell eine neue Buchzusammenstellung erschienen ist.
Geplant ist, bis Herbst 2024 die Umgestaltung der 1. Etage abzuschließen, um dann neben der Sammlungspräsentation auch einen zusätzlichen Kabinettraum nutzen zu können. „Mit diesem Bereich soll die Dynamik des Hauses erhöht werden“, sagt Sonntag. Kurzfristige und schnelle Präsentation aktueller Themen, Ausstellungen von Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern sowie Ausflüge in Nachbardisziplinen von Karikatur und Cartoon sind geplant.
Im Erdgeschoss und in der Galerie dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auch weiterhin auf Wechselausstellungen freuen. Ab dem 30. Mai 2024 ist die Fläche dem Wuppertaler Zeichner und Cartoonisten André Poloczek alias POLO gewidmet. Ab September dem Sondermann-Schöpfer Bernd Pfarr. Für 2025 stehen Ausstellungen mit Werken von unter anderem Walter Moers und Michael Sowa auf dem Programm.
Insbesondere mit der Frage, wie man das Museum auch für jüngere Generationen attraktiv macht, will und wird sich Martin Sonntag mit seinem Team beschäftigen. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen: Warum sollte man ins Caricatura Museum gehen? Was macht es auch für die jüngere Generation attraktiv? Und was können wir aktiv tun, um die Hemmschwelle für einen Museumsbesuch zu senken?“ Dabei rückt vor allem der Nachwuchs in den Fokus der Kuratorinnen und Kuratoren. Die bisherigen Wechselausstellungen präsentierten bereits Künstlerinnen und Künstler, die in der Tradition der Neuen Frankfurter Schule beheimatet sind. Die nächsten Generationen junger Zeichnerinnen und Zeichner stehen in den Startlöchern oder am Anfang ihrer Karriere. Das Museum kann und will ihnen eine Plattform bieten. Und zeigen: Die Karikatur lebt, und die Komische Kunst hat etwas zu sagen.
Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt. Es ist aber auch ein Ort der leiseren Zwischentöne, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, ein Ort des Diskurses. Das möchte Martin Sonntag in Zukunft verstärken. Bewusst will man einen Kontrapunkt zur aktuellen Erregungsgesellschaft setzen. „Satire spitzt zu, und der Betrachter muss sich zu ihr verhalten.“, erläutert Martin Sonntag. „Man muss mit ihren Inhalten nicht einverstanden sein. Das ist nicht ihre Absicht. Vielmehr deckt sie auf, provoziert und evoziert zum spannenden Meinungsaustausch und trägt – im besten Fall – zum Erkenntnisgewinn bei. Gerade unser Museum ist prädestiniert, generationenübergreifend ins Gespräch zu kommen, eine – im positiven Sinne – Streitkultur wiederzubeleben.“
Spaß und Erkenntnisgewinn dürfen aber einen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekt nicht ausblenden: den der Ästhetik. Vom schnellen Strich bis hin zu opulenten Gemälden – Komische Kunst ist in Stilistik und Aussage vielfältig und auch ein ästhetischer Genuss. Was oftmals so spielerisch einfach daherkommt, ist hart erarbeitet.
Auch das soll im Museum vermittelt werden. Hier strebt Sonntag ein engeres Zusammenwirken von universitärer Forschung und satirischer Praxis an.
Um das Museum für ein noch breiteres Publikum attraktiv zu machen, wird Martin Sonntag das museumspädagogische Angebot ausbauen. Geplant ist dazu die Ausarbeitung eines erweiterten Führungsangebots für unterschiedliche Zielgruppen und mit thematischen Schwerpunkten. Öffentliche Führungen sollen an besucherstarken Tagen über die Ausstellungen informieren. Langfristig ist auch der Aufbau eines didaktischen Programms geplant, um das Caricatura Museum für Schulen noch attraktiver zu gestalten. Locken sollen auch kreative Angebote wie After-Work-Veranstaltungen für Werktätige.
„Nicht alles lässt sich sofort und vor allem zeitgleich realisieren“, betont Martin Sonntag. „Das wollen wir auch gar nicht: Uns ist es wichtig, langfristige und gut durchdachte Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Das ist unser Auftrag. Das sind wir unseren Künstlerinnen und Künstlern wie auch unserem Publikum schuldig.“
Foto: © CMF
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